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12. März 2021

Die Frage nach der Weiblichkeit

Alessia Schuth ist die neue Stipendiatin 2021 im Künstlerhaus Schwalenberg

In Zeiten von Corona haben es Künstlerinnen und Künstler besonders schwer –umso wichtiger sind Fördermöglichkeiten wie das Schwalenberg-Stipendium für Bildende Künstler des Landesverbandes Lippe. Entsprechend viele Bewerbungen erreichten daher auch die Kulturagentur. Die meisten Bewerber stammten aus Deutschland, jedoch waren auch Bewerber aus dem übrigen Europa und sogar aus dem Iran und China dabei. Es wurde – erstmals digital – von einer Jury eine neue Stipendiatin für Schwalenberg ausgewählt. Die Auswahl fiel wie immer schwer, denn es waren viele hochkarätige Künstlerinnen und Künstler aus allen Sparten der Bildenden Kunst unter den Bewerbungen.

Mitglieder der Jury waren die beiden Künstler Axel Plöger und Prof. Ernst Thevis aus Detmold, Angela Josephs, Pressesprecherin der Firma Phoenix Contact & Co. KG in Blomberg, Barbara Luetgebrune, Kulturredakteurin der Lippischen Landeszeitung, Jörg Düning-Gast, Verbandsvorsteher des Landesverbandes Lippe, sowie die beiden Kunsthistorikerinnen Vera Scheef und Dr. Mayarí Granados von der Kulturagentur des Landesverbandes Lippe.

Alle Bewerber waren aufgefordert, ein Projektvorhaben für die Stipendiatszeit in Schwalenberg zu formulieren und damit und mit ihren Werken die Jury zu überzeugen.

Schließlich fiel die Wahl der Jury auf die Künstlerin Alessia Schuth aus Stuttgart. Sie überzeugte mit ihrer Malerei sowie ihren faszinierenden, filigran wirkenden und dennoch monumentalen Skulpturen aus Thermoplast, die sie mit einem 3-D Stift herstellt. Sie wird vom 1. Mai bis 31. Oktober 2021 im Künstlerhaus Schwalenberg leben und arbeiten, zum Ende des Stipendiums werden ihre Arbeiten im Robert Koepke Haus in Schwalenberg präsentiert.

Alessia Schuth beschäftigt sich mit den Geschlechterrollen und konzentriert sich seit Abschluss ihres Studiums auf die Arbeit mit Thermoplasten, der Einsatz dieses Materials ist ungewöhnlich in der Kunst. Alessia Schuth arbeitet mit Polylactid (PLA), welches durch Erhitzen formbar wird und in wenigen Sekunden des Abkühlens aushärtet. Dazu benutzt sie einen portablen 3D-Drucker, der, wie ein Stift, das flächige Zeichnen, aber auch das Zeichnen in der Luft ermöglicht. Das Material bleibt auch nach der Verarbeitung hitzeempfindlich und kann dadurch in seiner Form weiter verändert werden. Ebenso kann man einzelne Fragmente verschmelzen und dadurch Gebilde erweitern. Mit dieser Technik entstehen faszinierende, fragile, fremdartig wirkende Skulpturen und Bilder, die sowohl die Assoziation an alte „weibliche“ Handwerktechniken wie Sticken und Spitzenklöppeln aufkommen lassen, als auch Kritik an der Umweltzerstörung durch hohe Kunststoffaufkommen üben.

Thematisch interessiert Schuth der historische Blick auf die Weiblichkeit, welcher überwiegend männlich geprägt ist, der Einfluss traditioneller Ansichten auf den Zeitgeist und das Aufbrechen der Geschlechterrollen in der aktuellen Gesellschaft. In ihrer Bildserie „Pussy Diaries“ versucht sie den Akt malerisch neu zu interpretieren und von der männlichen Sicht auf den weiblichen Körper zu lösen. Diese Arbeit warf neue Fragen auf, zum Beispiel, ob es überhaupt möglich ist, den Akt von der Historie zu lösen, wenn man in patriarchalen Strukturen aufgewachsen ist oder vor dem Entwickeln einer neuen Betrachtungsweise nicht zunächst eine reaktionäre Phase durchlaufen werden muss.

In den sechs Monaten in Schwalenberg möchte Alessia Schuth sich mit der Romantisierung der Geschlechterrollen im Zeitalter der Digitalisierung auseinandersetzten: Was macht es mit einer Generation, die selbst nicht für Frauenrechte gekämpft hat, sich befreit und gleichberechtigt fühlt, in sozialen Median aber stilisierte, traditionelle Geschlechterrollen als Vorbild präsentiert bekommt. Wie fragil sind die errungenen Fortschritte?

Wichtig ist dabei auch die Berücksichtigung der Body Positivity Bewegung, die auf die unrealistischen Schönheitsideale reagiert, für die sogar Topmodels in Photoshop nachbearbeitet werden. Die Künstlerin möchte sich diesen Fragestellungen in formal unaufgeregter, ruhiger Weise nähern.

Alessia Schuth wurde 1987 in Villingen-Schwenningen geboren. Sie studierte von 2010-2011 an der Kunstakademie in Regensburg bei Stefan Göler und Georg Fiederer und von 2012-2020 Bildende Kunst an der AbK Stuttgart bei Prof. Cordula Güdemann und Prof. Rolf Bier. Im Februar 2020 erlangte sie ihr Diplom Bildende Kunst, und seit 2020 hat sie einen Lehrauftrag Bildende Kunst an der AbK Stuttgart.

2019-2020 war sie im GOPEA Förderjahrgang und von 2016-2020 hatte sie ein Stipendium der Künstlerförderung des Cusanuswerks, Bonn, sowie von 2020-2021 im Mathilde-Planck.-Lehrauftragsprogramm, Baden-Württemberg.

Alessia Schuth lebt und arbeitet in Stuttgart.

 

Abbildung: Alessia Schuth vor ihrer Installation „RandNah“, Januar 2020. (Foto: Nadine Bracht)

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