Seltene Weinbergtulpe blüht am Schloss Brake
Sie ist äußerst selten, laut Roter Liste sogar „stark gefährdet“ – und konnte in diesem Frühjahr in voller Blüte auf einem abgegrenzten Areal am Schloss Brake betrachtet werden: die Weinbergtulpe, die einzige wilde Tulpenart Deutschlands. Ihre sternenförmigen, gelben Blütenblätter leuchteten rund eine Woche.
„Rund um Schloss Brake kommt die Weinbergtulpe an einigen wenigen Standorten vor“, berichtet Dr. Vera Lüpkes, Direktorin des Weserrenaissance-Museums Schloss Brake. Vermutlich stehe ihr Vorkommen im Zusammenhang mit der Geschichte des Schlosses: „Beschrieben hat der Flame Ogier Ghislain de Busbecq die Tulpe als erster 1555. Während seiner diplomatischen Dienste am Hof des Sultan Süleyman I. hatte er sie in Istanbul kennen- und lieben gelernt und sie seinem Auftraggeber an den Wiener Kaiserhof geschickt. In wessen europäischen Garten die osmanische ‚tulipam‘ danach zuerst kultiviert wurde, ist noch immer umstritten. Denkbar sind der Kasseler Garten Wilhelm IV., der Botanische Garten in Frankfurt oder der Leidener Universitätsgarten. Der Botaniker Carl Clusius schrieb 1562, in Antwerpen esse man zu Mittag Tulpenzwiebeln in Essig und Öl. Von einem Frankfurter Patrizierhaushalt ist überliefert, dass kandierte Tulpenzwiebeln als exotisches Dessert gereicht wurden.“ Dass die börsennotierte Spekulation mit Tulpenzwiebeln 1637 zum Crash der Börse in Alkmaar führte, wissen wir spätestens seit dem Spielfilm „Tulpenfieber“ mit Christoph Waltz und Judi Dench aus dem Jahr 2017, merkt Lüpkes an.
In seiner Sonderausstellung „Turcken – Faszination und Feindbild“ hat das Weserrenaissance-Museum Schloss Brake 2013 die Beziehungen des lippischen Hofes zum Osmanischen beleuchtet. „Die Bedeutung und das Wissen um Tulpen waren ein Aspekt dieser Sonderausstellung. Der noch erhaltene Tulpenlambris aus der barocken Schlosseinrichtung zeugt bis heute von der Faszination, die das Blumenmotiv auch auf Graf Casimir – Enkel Graf Simons VI. – ausübte. Ihm haben wir auch die Anlage des Barockgartens zu verdanken, in dem sicherlich auch Tulpen kultiviert wurden“, so Lüpkes.
Ulrike Hoffmann, Kartiererin im Kreis Lippe für die Florenkartierung des LANUV, bestätigt: „Wertevolle (Wild-) Tulpensammlungen waren in der Renaissance ein Statussymbol. Die Weinbergtulpe ist somit ein ‚Kulturrelikt‘ aus dieser Zeit und wir können uns glücklich schätzen, in Lemgo am Schloss Brake einen von drei bekannten Standorten in Nordrhein-Westfalen zu beherbergen.“ Denkbar sei, dass die Tulpen aus dem Barockgarten im Laufe der Zeit verwilderten.
„Die Weinbergtulpe liebt sonnige, warme Standorte und lehm- und kalkreiche Böden – wie sie eben in Weinbergen anzutreffen sind, daher ihr Name.“ In unserem Raum gedeihe sie eher in feuchtem Gebüsch oder lichtem Wald. Die Weinbergtulpe sei nahezu in ganz Europa anzutreffen, in ihrem Bestand aber stark zurückgegangen: „Sie wurde deshalb schon 1983 von der Stiftung zum Schutze gefährdeter Pflanzen zur Blume des Jahres ernannt.“ Ulrike Hoffmann beobachtet für die neue Gefährdungseinschätzung (Rote Liste 2020) seit Jahren das Vorkommen der Weinbergtulpe am Schloss Brake und setzt sich zusammen mit dem Verein Alt-Lemgo und der Stadt Lemgo dafür ein, es zu erhalten und zu fördern. Dafür ist bei der anstehenden Bega-Renaturierung der schonungsvolle Umgang mit dem wertvollen Auestreifen am Schlossufer notwendig. Zudem hilft eine späte Mahd der Rasenfläche den Wildtulpen, wie auch vielen anderen Frühblühern.
Thomas Senke, Museumstechniker des Weserrenaissance-Museums, und Eckehard Deichsel, Restaurator des Weserrenaissance-Museums, haben die Wildtulpe erstmals auf dem Domänenvorplatz zum Blühen gebracht: Auf einem kleinen, eingezäunten Areal, wo sich die Tulpenzwiebeln ungestört über die vergangenen Jahre entwickeln konnten, haben 20 Tulpen eine Woche lang Spaziergänger und Naturliebhaber mit ihren leuchtenden gelben Blüten verzaubert.